La vérité, c’est la pérennité.

von | Mrz 27, 2020 | Blog

Wer als Marke bestehen will, muss sich, mehr denn je, von seinen nationalen Wurzeln lösen. Grosse Schweizer Tourismus­marken wie St. Moritz oder Schilthorn Piz Gloria basieren zwar auf ihrer Swissness. Um aber nicht nur »Top Of The World«, sondern auch Top of Mind in den Köpfen ihrer chinesischen, indischen oder japanischen Gäste zu werden, müssen sie sich in den Akquisitions­märkten positionieren, um erfolgreich zu sein.

Natürlich ist Swissness das Argument. Aber was heisst das? Spätestens seit die indische Filmindustrie ihre idyllischen Drehorte vom Kashmirtal in die Schweiz verlagerte, ist der Publikumsmagnet auf dem Titlis offenbar weniger die atemberaubende Alpenwelt als vielmehr der lebensgrosse Cut-out der Bollywoodstars Kajol und Shahrukh Khan aus dem Megablockbuster »Dilwale Dulhania Le Jayenge«. Auf dem Schilthorn scheint James Bond das wichtigere Element in der Brand Story des Piz Gloria als das Drehrestaurant oder der Blick auf die über 3600 müM gelegene Blüemlisalp.

Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Vorwort von Martin Fritsche:

Swiss Brands sind global

Globalität ist längst das Zauberwort für grössere Volumina, höhere Umsätze, steigende Gewinne und eine makellose Reputation. Doch – und hierin liegt das Paradox internationaler Markenführung – durch die Globalität gewinnt das Lokale wieder zunehmend an Bedeutung: »Die Identifikation mit der Herkunftsregion soll den Konsumierenden helfen, sich in dieser zunehmend unübersichtli­chen Welt zu orientieren.«*

Swiss Brands sind flüchtig

Es geht also nicht nur um »think globally – act locally« sondern um Orientierung. Nicht die Fakten zählen, sondern der Rekurs auf fixe Bilder, Vorurteile, Klischees und bekannte Ideen. Die heisse Luft im Loch des Appenzeller Käses ist demnach völlig irrelevant. Was zählt, ist die Story drum herum. Und doch sind auch Schweizer Brand Propositions flüchtig wie der Morgennebel über dem Alpstein. So hiess dereinst der Claim der Clariden Leu, der damals fünftgrössten Schweizer Privatkundenbank, »Rock Solid Banking«. Wenige Jahre nach ihrer Markenlegung wurde sie vollständig in die Credit Suisse integriert. Die Marke verpuffte wie das Feuerwerk am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag. […]

Swiss Brands halten ewig

Das vorliegende Buch portraitiert 35 erfolgreiche Schweizer Mar­ken, die die Welt erobert haben. Ihre Geschichten lesen sich wie die bewegten Abenteuer heldenmutiger Zeitgenossen. Viele der hier portraitierten Marken sind älter als ein Menschenleben. Sie prägen unsere Vorstellung einer guten Schokolade, einer Uhr oder eines Farbstiftes seit Generationen. Es scheinen neben den Hö­henflügen auch die Krisen gewesen zu sein, die diese Marken weitergebracht haben. Wie echte Helden macht auch sie stark, was sie nicht umbringt.

Logitech

Die Marke Logitech versteht ihre Produkte als die intuitive Ver­bindung von Mensch und Maschine. Sie vereint die organische mit der anorganischen Welt und verspricht Standards, die weit in die Zukunft reichen. In der Welt der Cyborgs werden Virtual Reality, Artificial Intelligence und Bioelektronik ein Menschenbild prägen, das heute erst die Science Fiction beschreibt: der in die Zukunft projizierte Mythos einer perfekte(re)n Welt.

Freitag

Und doch finden wir in dieser Zusammenstellung auch junge Marken wie zum Beispiel den Zürcher Taschen- und Accessoires-Designer Freitag. Trotz ihrer Jugendlichkeit verfügt gerade die Marke Freitag über genau jene Attribute, die einen wahren Helden ausmachen. Sie verbinden die Kurzlebigkeit von Modetrends mit der Langzeitperspektive des Recyclings. Sie verbinden Lebens­freude mit Verantwortung. Freitag gelingt es, das Hässliche einer Lastwagenplane mit der Eleganz zeitgemässen Designs zu ver­binden, Konsum mit Nachhaltigkeit. Die Marke vermittelt zwi­schen dem Müll unserer Konsumgesellschaft und der Lebensfreude jugendlichen Übermuts.

Patek Philippe

Thierry Stern, Chef des Familienunterneh­mens Patek Philippe meint, eine der weltweit renommiertesten Uhrenmanufakturen zu leiten, sei »wie ein Spiel mit dem Teufel.« Denn Luxus ist vergäng­lich, eine Patek Philippe nicht. Die Positionierungsidee, dass man eine Patek Philippe nicht besitzen kann, verspricht eine Welt kon­sumistischer Freiheit, die keine Anhaftung kennt: das Paradies.

Lindt

Rodolphe Lindt nannte sein bahnbrechendes Produkt »Chocolat Fondant« und fand einen Weg, zwischen dem hustenreizenden Kakao und einer zartschmelzenden Schokolade eine Brücke zu schlagen. Das Versprechen des uneingeschränkten Genusses prägt heute nicht nur die Markenwelt von Lindt, sondern der gan­zen Branche.

Caran d’Ache

Und wenn Carole Hübscher, VRP von Caran d’Ache, meint, »mon objective est de pérenniser Caran d’Ache dans le temps«, nimmt sie es mit der Ewigkeit auf – eine Zeitdimension jenseits der irdi­schen Realität.

35 erfolgreiche Schweizer Marken

35, das sind wenig in Anbetracht der vielen Schweizer Brands, die nicht nur Hidden Champions sind, sondern auch weltweit Trends setzen. Doch bleiben auch globale Trendsetter aus der Schweiz auf wundersame Weise immer Schweizer Marken. Das Rezept allerdings ist geheim. Alles Käse oder was? Nein! La vérité, c’est la pérennité.

Check it out:

Eugen Buß: Regionale Identitätsbildung. Münster, Hamburg, London. 2002
»Swiss Brands« wurde auch in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« rezensiert. Sehen Sie hier.