Zu Roman Buchelis NZZ-Artikel »Gott spielen«.
Es hat etwas Amüsantes, vielleicht auch Tragisches, wenn wir sehen, wie sich Roman Bucheli (»Gott spielen. In den sechziger Jahren schufen wir ein Metaversum. Es war besser als alles, was heute diesen Namen trägt«, NZZ, 12.2.22/40) in grossväterlich behäbigem Gestus gleich selber widerlegt: Nicht umsonst nennt sich das zur Zeit etablierteste Metaverse Sandbox. Genau so wie sich Roman Bucheli romantisierend an den offenbar von Hunden verschissenen Sandkasten seiner Kindheit erinnert, impliziert auch Sandbox einen von kindlicher Fantasie geprägten Spielkasten, in dem alles möglich erscheint. Allerdings einen sauberen. Denn er besteht nicht aus Dreck und Kot, sondern aus Bits & Bytes. Etabliert hat sich Sandbox als Online Game. Das daraus entwickelte Metaverse ist die logische Folge davon.
Wenn Roman Bucheli Mark Zuckerberg unterstellt, er hätte Facebook nur darum in Meta umfirmiert, weil Facebook unter einem schlechten Image leide und nun etwas Window Dressing benötige, verkennt er die Zeichen unserer Zeit.
Von der Virtual Reality zur Real Virtuality
Metaversen sind nichts anderes als ein elektronisch erzeugter, dreidimensional erlebbarer Raum, in dem verschiedene Aktivitäten und Transaktionen dank neuartiger Technologien möglich geworden sind. Metaversen sind das Web 3.0. Hier geht es längst nicht mehr um Virtual Reality, sondern um Real Virtuality; die User kreieren ihre eigene Welt.
»Be Snoop Dog’s Virtual Neighbour«
Auf der Investment-Plattform capital.com wird ein Metaverse zum Beispiel als »eine neue Variante des Internets« beschrieben, »in der sich Menschen treffen, spielen oder sogar zusammenarbeiten. Es kombiniert verschiedene Technologiekomponenten, darunter Blockchain, nicht-fungible Token, dezentralisierte Finanzen, Spiele, Augmented Reality und Virtual Reality.«
Neue Technologien, neue Geschäftsmodelle
Bei einem Metaversum geht es also nicht in erster Linie ums Sändälä. Metaversen sind neue Geschäftsmodelle, mit denen bereits heute Milliarden umgesetzt werden. So dürfte z.B. die serbelnde Messeindustrie durch virtuelle Malls ungeahnte Auftriebe erleben, Online Shops werden begehbar sein, neue Anlageformen und Währungen entstehen, ein neuer Kunstmarkt schält sich heraus, Dialoge zwischen Avataren in Echtzeit werden so normal wie ein SMS Chat heute.
Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung
Selbst verständlich: Die Technologien sind noch neu. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung. Viele Fragen – technische, ressourcenkritische, regulatorische – sind noch längst nicht abschliessend geklärt. Wir sind Zeugen eines Innovationsprozesses und damit auch von fulminanten Flops genauso wie von stupenden Erfolgen. Bestimmt erinnert sich auch Roman Bucheli an die Aussage ausgerechnet des deutschen Kaisers Wilhelm II, der einst gemeint haben soll: »Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.«
Die einen Spielen Gott, die anderen erschaffen neue Welten
Dass sich das Internet oder das Smart Phone zu unverzichtbaren Instrumenten unserer Gegenwart würden durchsetzen können, erschien vielen sogar noch in den späten 90er Jahren als Fantasterei. Sie wurden eines besseren belehrt. So wird es wohl auch jenen ergehen, die heute noch »Gott spielen«, während andere schon neue Welten erschaffen.
Check it out
Kevin Donovan: Be Snoop Dogg’s Virtual Neighbour in the Metaverse. www.capital.com, 10.2.22
Zu Ihrem letzten Satz: ich verstehe den Hrn. Bucheli schon. Auch für mich ist Gott spielen und neue Welten erschaffen das Gleiche.
Hallo!
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ja, klar, das meinen wir, wenn wir sagen »Gott spielen«. Mir geht es an dieser Stelle aber mehr um die Rhetorik. Es geht mir mehr um das Wort »spielen.« Und darum, die Entwicklung zum Web 3.0 nicht zu verniedlichen. Sehen Sie dazu auch den sehr differenzierten Artikel von Thomas Assheuer, »Eine Welt ist nicht genug« in der »Zeit« 8/17.2.22, S. 53: »Mit dem „Metaverse“ wollen die Tech-Konzerne unsere Wirklichkeit von Grund auf verändern. Eine Utopie, vor der man sich fürchten muss?«