Resilienz bei Gegenwind, Agilität bei Rückenwind. 

von | Feb 23, 2023 | Blog

Während »die Unteren« jubeln, wenn sie von Empowerment hören, stockt »den Oberen« der Atem. Empowerment ist Hoffnung und Schreckensvision zugleich. Dabei wissen wir schon seit seiner Erfindung, dass Empowerment – zu deutsch: Ermächtigung, Befähigung – der Schlüssel ist zu einer funktionierenden Gesellschaft. Dies gilt nicht nur für soziale Systeme, sondern auch für Unternehmen und Organisationen.

Die Idee des Empowerment begreift sich am leichtesten in ihrer Umkehrung als Unterdrückung, Entmachtung oder Behinderung. Ohne hier jetzt allzu politisch werden zu wollen, gibt uns jener Putin ein sehr klares Bild einer Gesellschaft, die nicht ermächtigt, sondern entmächtigt, unterdrückt und an ihrer Entfaltung behindert wird: Die eingeschüchterte, desinformierte und gedemütigte russische Gesellschaft fällt in eine kollektive Apathie. Dies war schon immer die Grundvoraussetzung für autokratische Gräueltaten und ist es augenscheinlich auch für diesen widerwärtigen Krieg.

Russland wäre ein blühender Staat

Meine Behauptung: Hätte das russische Volk eine Stimme, wäre es aufgeklärt und wäre es sich seiner Wirkungsmacht bewusst, herrschte in Russland nicht Despotie, sondern Demokratie. Machen wir uns die wenigen Errungenschaften der russischen resp. sowjetischen Gesellschaft in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft deutlich, die trotz widrigster Umstände haben wenigstens ein bisschen treiben können, lässt sich erahnen, welch blühendes Land Russland heute wäre, hätte es dort jemals so etwas wie Empowerment gegeben.

Empowerment ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Innovationskultur

Konkret: Der Vergleich der im Jahr 2020 pro Million Einwohnende angemeldeten Patente bei der WIPO (World Intellectual Property Organisation) spricht für sich. Die Europäische Union zählt 161 Anmeldungen, die Russische Föderation in der gleichen Periode nur gerade deren 9, glatte 95% weniger. Und wenn wir schon dabei sind: 2020 meldete die Schweiz 643 Patente pro Million Einwohnende an. Weltspitze.

Empowerment heisst Freiheit, Selbstbestimmung und Anerkennung

Die Korrelation zwischen Empowerment und Innovationskraft, zwischen der Ermächtigung Einzelner und dem Erfolg aller ist offensichtlich. Auf den ersten Blick scheinen direktive Führungssysteme am effizientesten. Demokratische, kollektive Lösungsprozesse scheinen dagegen träge und ergebnisarm. Die Statistik der angemeldeten Patente beweist das Gegenteil. Übertragen auf Unternehmen und Organisationen heisst dies, dass es sich ökonomisch, gesellschaftlich, kulturell und ökologisch lohnt, in die Ermächtigung der Mitarbeitenden zu investieren. Fördern Sie Autonomie und Selbstorganisation. Setzen Sie auf gestalterische Freiheit. Wecken Sie das Bewusstsein, dass, wenn es allen gut geht, auch die einzelnen profitieren. Der langfristige Erfolgsfaktor sind die Shared Brand Values.

Empowerment führt zu stärkerer Resilienz und höherer Agilität

Führungspersönlichkeiten können sich nicht aus der Verantwortung stehlen, wenn sie ihre Mitarbeitenden befähigen wollen und sich in professioneller Zurückhaltung üben. Aber sie können sich entlasten. Empowerment im Unternehmen fokussiert nicht auf die Defizite, sondern auf die Stärken, auf lösungsorientierte Kreativität und das Zusammenspiel von Eigensinn und Gemeinsinn. Wir wissen schon längst, dass nicht das Gehalt entscheidend ist für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, sondern deren Wertschätzung. Jede halbwegs vernunftbegabte Person weiss, dass einem die gebratenen Gänse nicht ins Maul fliegen, dass das Leben und damit auch die Arbeit nie so einfach ist, wie man das gerne hätte. Gerade darum ist es entscheidend, die Mitarbeitenden zu befähigen, sie als Teil der unternehmerischen Innovationskultur zu fördern und natürlich auch gemäss ihrer Talente und Kompetenzen zu fordern. Das Resultat ist nicht nur eine grössere unternehmerische Resilienz bei Gegenwind, sondern auch eine grössere Agilität bei Rückenwind.

Check it out

Marc A. Zimmermann: Empowerment Theory. In: J. Rappaport, E. Seidman (Hrsg.): Handbook of community psychology. New York 2000, S. 43 – 63

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Prof. Dr. Hugo Mennemann: Empowerment – ein erster kurzer Überblick.
Weltmarktrelevante Patente im internationalen Vergleich